Neue Entwicklungen im internationalen Steuerrecht: Klarstellungen des BMF zur inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte

20.03.2024

Die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung eines Unternehmens hat erhebliche steuerrechtliche Implikationen. Diese betreffen sowohl die Frage, ob eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland mit den damit verbundenen Deklarationspflichten besteht, als auch, inwieweit Gewinne eines ausländischen Unternehmens unter der Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens in Deutschland besteuert werden dürfen. Insbesondere bei der Gründung ausländischer Tochtergesellschaften durch inhabergeführte deutsche Mittelständler stellt eine mögliche deutsche Geschäftsleitungsbetriebsstätte ein erbliches steuerliches Risiko für die geplante Auslandsinvestition dar.

Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Klarstellungen der deutschen Finanzverwaltung zur Definition und Lokalisierung einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte von großer Bedeutung. 

 

Klärung der Definition und des Ortes der Geschäftsleitung

Die Finanzverwaltung nimmt im neuen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) vom 5. Februar 2024 ausführlich Stellung zu den Voraussetzungen einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte. Ein zentraler Punkt ist die Definition des Begriffs der Geschäftsleitung in § 12 AO, wonach der Ort der Geschäftsleitung dort liegt, wo die wesentlichen Entscheidungen im Tagesgeschäft des Unternehmens getroffen werden.

Unterscheidung zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterebene

Abzugrenzen ist hierbei zwischen Maßnahmen auf der Ebene der Geschäftsführung und solchen, die auf der Ebene der Gesellschafter angesiedelt sind. Das Tagesgeschäft, also die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der Betrieb des Unternehmens mit sich bringt, obliegen regelmäßig der Geschäftsführung. Hingegen sind Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung für das Unternehmen der Gesellschafterebene zuzuordnen und zählen üblicherweise nicht zum Tagesgeschäft der Gesellschaft.

Geschäftsleitungsbetriebsstätte in der Wohnung des Geschäftsführers

Im Rahmen der Neufassung des AEAO stellt die Finanzverwaltung noch einmal klar, dass nach ihrer Ansicht für die Bestimmung einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte nicht zwingend eine feste Geschäftseinrichtung des Unternehmens erforderlich ist.

Auch die Wohnung des Geschäftsführers könne daher als solche fungieren, insbesondere dann, wenn das Unternehmen sonst keine feste Geschäftseinrichtung vorweisen kann und andere Räumlichkeiten für geschäftsleitende Tätigkeiten ebenfalls nicht genutzt werden. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterstreicht, dass der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung dort liegt, wo die geschäftsführende Tätigkeit ausgeübt wird, was üblicherweise im Büro des Geschäftsführers oder in Ausnahmefällen in dessen Wohnung ist.

Betriebsstättenbegründung bei einem Dritten

Auch in Geschäftsräumen eines Dritten kann entsprechend der Rechtsprechung des BFH eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte vorliegen. Die Begründung einer solchen Betriebsstätte, beispielsweise in den Räumen einer Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft erfordert jedoch, dass das Unternehmen über eine gewisse Verfügungsmacht oder Überwachungsfunktion verfügt.

Fazit und Ausblick

Die Ausführungen der Finanzverwaltung bieten wichtige Klarstellungen zur Definition des nationalen Begriffs der Geschäftsleitungsbetriebsstätte. Sie werfen jedoch auch neue Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der veröffentlichten Grundsätze im Einzelfall. Auch im internationalen Kontext bleibt offen, inwieweit die deutsche Finanzverwaltung ihre Ausführungen zum nationalen Betriebsstätten-Begriff auch zur unilateralen Auslegung der zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen heranzieht.

Die Komplexität und Vielschichtigkeit der Thematik erfordern eine detaillierte und individuelle Betrachtung. Zu beachten ist hierbei auch, dass das Betriebsstätten- Verständnis der deutschen Finanzverwaltung regelmäßig nicht dem internationalen Standard entspricht und somit häufig Doppelbesteuerungen drohen.

Aufgrund der Internationalisierung der Wirtschaft kommt der Gründung ausländischer Gesellschaften auch im Bereich mittelständischer Unternehmen eine stetig wachsende Bedeutung zu. Angesichts der potenziellen steuerlichen Konsequenzen empfehlen wir Unternehmen eine individuelle Betrachtung ihres jeweiligen Falls vorzunehmen, insbesondere um Gefahren möglicher Doppelbesteuerungen vorab zu identifizieren und auszuschließen.

Unsere spezialisierten Steuerberater im Bereich des internationalen Steuerrechts stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um die spezifischen Umstände Ihres Unternehmens zu analysieren und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Für eine individuelle Beratung und weitere Informationen zu diesem Thema können Sie uns gerne kontaktieren.

 

Von Steuerberater Sebastian Schmitz




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